Genetiker, Organisator & ...Bestsellerautor
»Früher haben die Menschen geglaubt, daß ihr Schicksal in den Sternen liegt.
Heute wissen wir, daß unser Schicksal in den Genen steckt.«
War für die Ehrenperson der vergangenen Woche Bescheidenheit eine der entscheidenden Merkmale, so ist für den 1928 in Chicago geborenen James Dewey Watson eher »Ruhmessucht« die treibende Kraft seines Handelns. Über die Vogelkunde kam er zur Biologie, interessierte sich aber, angeregt durch die Lektüre »Was ist Leben« (1944) von dem Physiker Erwin Schrödinger (1887-1961), für die Natur der Gene. Über Gene wußte man damals nur äußerst wenig, und es war klar, daß derjenige, der ihre molekulare Struktur aufklären würde, »den Preis« erhalten würde.
1950 promovierte Jim Watson bei Salvador Luria (1912-1991), einem Genetiker der sogenannten Phagengruppe, die sich mit bestimmten Bakterienviren (Bakteriophagen) beschäftigte. Zunächst mag es merkwürdig erscheinen, daß ausgerechnet ein Kreis von Wissenschaftlern, die sich mit Partikeln (Viren) beschäftigten, denen die Eigenschaften des Lebens abgesprochen werden, die ausschlaggebenden Impulse lieferte, das »Geheimnis des Lebens« zu ergründen. Auf den zweiten Blick eignen sich Viren dafür idealerweise, da Viren Erbinformationen übertragen, aber wesentlich einfacher aufgebaut sind als Lebewesen. So waren die Phagengenetiker seit den bahnbrechenden Experimenten von Oswald Avery (1877-1955) 1944 davon überzeugt, daß das maßgebliche Molekül bei der Vererbung die Desoxyribonukleinsäure (DNA) sei, während das Gros der Forscher weiterhin die das Leben realisierenden Proteine untersuchte.
Nach der Promotion suchte Jim Watson den Anschluß zu Biochemikern in Europa, da er möglichst viel über die DNA erfahren wollte, aber bitte ohne dafür Chemie erlernen zu müssen, von der er nichts verstand. So war es denn kein Zufall, aber ein großes Glück, daß er 1951 nach Cambridge (GB) kam. Dort traf er auf den Physiker Francis Crick (1916-2004), der wie er die Bedeutung der DNA enorm hoch einschätzte, sich im Gegensatz zu ihm aber auch mit Strukturchemie auskannte.
Allerdings war es keineswegs die Aufgabe von Jim Watson und Francis Crick, die Struktur der DNA zu untersuchen, Jim Watson - das weiß heute nur kaum jemand - klärte in dieser Zeit die helikale Struktur der Hüllproteine des Tabakmosaikvirus auf. Da Jim Watson und Francis Crick mit ihrer forschen Herangehensweise zwei Wissenschaftler in London brüskierten, die tatsächlich mit der Erforschung der DNA betraut waren, Rosalind Franklin (1920-1958) und Maurice Wilkins (1916-2004), wurde ihnen zeitweilig sogar verboten, sich mit der DNA zu beschäftigen.
Erst als der erfolgreiche Biochemiker Linus Pauling (1901-1994) Anfang 1953 ein Strukturmodell der DNA veröffentlichte, das offensichtlich nur falsch sein konnte, bastelten sie, in Kenntnis der Röntgenstrukturaufnahmen von Rosalind Franklin, der Regel von Erwin Chargaff (1905-2002) und eines Hinweises des Chemikers Jerry Donohue (1920-1985), daß die in der Literatur übliche Darstellung der DNA-Basen falsch sei, ein dreidimensionales DNA-Modell. Am 2. April 1953 schlugen sie in einem Brief an Nature dieses Modell einer doppelten alpha-Helix als Struktur für die DNA vor, und es hat im wesentlichen bis heute Bestand! (Watson und Crick irrten sich lediglich bezüglich der Anzahl der Wasserstoffbindungen (2 statt 3) zwischen den Basen Guanin und Cytosin.)
Am 10. Dezember 1962 war es dann soweit: Jim Watson erhielt gemeinsam mit Francis Crick und Maurice Wilkins (Rosalind Franklin war bereits gestorben) den Nobelpreis für Medizin.
Während wir Francis Crick auch die Entschlüsselung des genetischen Codes zu verdanken haben, zog sich Jim Watson aus der Forschung zurück, da er nichts sah, womit er seinen Erfolg bei der DNA toppen könnte. 1956 wurde er Professor an der Harvard University und 1968 Direktor des Cold Spring Harbor Laboratory, dem 'Stammsitz' der Phagengenetiker, den Jim Watson zu einem international anerkannten Forschungszentrum entwickelte. Er war auch Mitinitiator des Human Genome Projects, dessen Leitung er so lange übernahm, bis abzusehen war, daß das Projekt einem erfolgreichen Abschluß entgegen ging.
1968 startete Jim Watson noch eine weitere Karriere quasi mit einem Schlußstrich: er veröffentlichte eine romaneske Schilderung seiner Sicht der Ereignisse, die zur Entdeckung der »Doppelhelix« geführt hatten. Das Buch wurde zum Bestseller und Jim Watson ließ weitere Bücher folgen.
Francis Crick hatte »Die Doppelhelix« vor Veröffentlichung gelesen und drohte mit einer Klage. Die darauffolgenden Korrekturen gingen ihm nicht weit genug, doch Jim Watson veröffentlichte. Francis Crick klagte nicht, aber seither spricht das berühmteste Forscher-Duo nicht mehr miteinander. Ob sie sich zwischenzeitlich vertragen haben, entzieht sich meiner Kenntnis, aber falls dies noch nicht erfolgt sein sollte, wird es nie mehr möglich sein: Francis Crick verstarb im Juli vergangenen Jahres 88-jährig an Darmkrebs.
James Dewey Watson wurde am 6. April 77 Jahre alt, und wir von uni-online wünschen ihm noch ein langes und gesundes Leben!
Autorin: Silke Sorge
Anmerkung: Falls James Watson in meiner Darstellung nicht unbedingt in einem positiven Licht erscheint, liegt das daran, daß er selbst dafür gesorgt hat, ein solches Bild über sich zu verbreiten. Respekt, daß sich zur 'Selbstherrlichkeit' auch so viel Selbstehrlichkeit gesellt!